Pzwei. Blog.
Deutsch ist nicht gleich Deutsch
Wenn der Piefke mit dem Ösi: Wie viel Hochdeutsch muss, wie viel Österreichisch darf sein?
Bei den Würstchen geht es schon los. Heißen sie nun Wiener oder Frankfurter? Eigentlich ist beides richtig, meinen zumindest die Wiener:innen: „Als Erfinder dieser Wiener Spezialität gilt der aus Deutschland gebürtige Fleischhauer Johann Georg Lahner, der den Brühwürsten als Erinnerung an die Stadt, in der er seine Ausbildung absolviert hat, den Namen Frankfurter gab, während sie in Deutschland ‚Wiener Würstchen‘ heißen.“ Dass die beiden Produkte nicht ganz dasselbe sind – dort steckt in ihnen nur Brät aus Schweinefleisch, hier aus Schwein und Rind –, sei an dieser Stelle vernachlässigt. Interessanter sind am Zitat für mich, den Piefke, passenderweise gleich zwei Formulierungen, die ich in meiner (wiederum passenderweise) Frankfurter Heimat nicht lesen oder hören würde: „Fleischhauer“ und „aus Deutschland gebürtig“. Da hieße es eher Metzger oder Fleischer sowie „in Deutschland geboren“ oder „aus Deutschland stammend“.
Das soll nicht bedeuten, dass die eine Form richtig und die andere (österreichische) falsch ist. Darauf weist der Journalist und Autor Robert Sedlaczek in einem Interview mit dem Standard hin: „Österreichisch ist keine eigene Sprache, das zu behaupten wäre völlig falsch. Aber es gibt die deutsche Sprache in zwei Ausformungen: ein deutsches Deutsch und ein österreichisches Deutsch. Der Duden neigt dazu, den Norden als Norm zu begreifen und den Süden als Abweichung. Mir geht es darum, die Gleichwertigkeit zu zeigen. Was in Österreich gesprochen wird, ist keine Abartigkeit des Deutschen.” Anlass des Gesprächs im Jahr 2004 war die Veröffentlichung von Sedlaczeks Buch „Das österreichische Deutsch“.
Leckerer Randigstrudel
Welche Form verwenden wir in unseren Texten? Das fragen sich die Pzwei-Mitarbeiter:innen immer wieder. Schreiben wir „heuer“ (eher ja), „Jänner“ und „Feber“ (je nach Empfänger:innen nördlich oder südlich des Bodensees), urgieren beim Rauchfangkehrer (doppelt nein)? Dokumente werden bei uns unterschrieben, nicht unterfertigt. Mit Obst und Gemüse haben wir beruflich selten zu tun, sodass Paradeiser, Fisolen, Karfiol, Ribisel und Randig kein Grund für sprachliche Abwägungen sind. Marillen kennen auch meine Landsleute, Obers und Topfen ebenso – dem geliebten Topfenstrudel auf österreichischen Skihütten sei Dank.
So sind wir bei den Austriazismen angekommen. Einige sind mir in Fleisch und Blut übergegangen. „Es geht sich aus“ ist ein besonders schönes Beispiel. Bei anderen fühlt es sich immer noch komisch an: Wenn etwas um 5 Euro kostet oder am (statt auf dem) Programm steht. Mathematik werde ich weiterhin auf der letzten Silbe betonen, Rechtswissenschaften heißen für mich Jura. Wenn der Fußball ans Aluminium klatscht, trifft er für mich Latte oder Pfosten, aber nicht die Stange. „Es gibt insgesamt rund 7.000 Austriazismen“, schreibt superprof.at. Der Lernstoff ist also umfangreich. Die ersten auf der Website aufgeführten Beispiele machen mir keine Mühe: Beisl, Jause (in Vorarlberger Spielgruppen, Kindergärten und Schulen unumstößlich kombiniert mit „gesunde“), Bankomat, Sackerl fürs Gackerl – eh.
Gerade beim Fußball, einer traditionell vielversprechenden Fundgrube für Linguist:innen und Comedians, fällt eine Stärke von Österreichisch gegenüber Hochdeutsch auf. Dem locker-lässigen Schmäh von Toni Pfeffer (der mit dem ÖFB-Team gegen Spanien zur Halbzeit 0:5 zurückliegt, Endergebnis 0:9) kann Namensvetter Kroos, der mit Real Madrid soeben die Champions League gewonnen hat und bei ZDF-Reporter Nils Kaben zum Interview steht, bei Weitem nicht das Wasser reichen. Vielleicht sind das schlecht vergleichbare Einzelfälle, dennoch: Umgekehrt sind diese Gesprächsverläufe schwer vorstellbar.
Wenn kommst Du nachhause?
Die Erfahrungen eines Zugereisten wie mir mit dem Vorarlberger Dialekt bzw. den Dialekten – gefühlt gibt es in den 96 Vorarlberger Gemeinden mindestens ebenso viele Varianten – beziehen sich in den allermeisten Fällen auf das gesprochene Wort. Schriftlich spielt dieses Thema keine Rolle. Eine Ausnahme ist allenfalls das Universal-Relativpronomen „Wo“: das Problem, wo es gibt – den Mann, wo ich getroffen habe – ein Lied, wo sie kennt. Und ein kleiner Hinweis: Anzeigen werden tatsächlich geschaltet, nicht geschalten. Eine Mail vor einigen Jahren, die mir den Zugang zu einer neuen technischen Anwendung bestätigte, ist mir in Erinnerung geblieben. Darin hieß es: „Ich habe Dich freigeschalten, Du bist jetzt angemolden.“ Die – nennen wir sie: ungewöhnliche – Verwechslung von denn/dann und wenn/wann („Erst erledige ich das eine und denn das andere“) ist auch nur zu hören, nicht zu lesen.
Die Tschick von der Trafik
Bei anderen Unterschieden zwischen Schriftdütsch, Entschuldigung: Hochdeutsch und der österreichischen Version lernt man dazu: Mit der Einheit „Deka“ habe ich mich vor meiner Übersiedlung nie auseinandergesetzt. Beistriche und Strichpunkte sind selbsterklärender als Kommas und Semikola. Was dem Deutschen sein Tesa, ist der Österreicherin ihr Tixo. Wenn Deutsche etwas lecker finden (das ist angeblich der eindeutigste sprachliche Beweis, es mit einem Piefke zu tun zu haben), bevorzugt man hierzulande „fein“. Hier und da gab es für mich einfach neue Vokabeln zu lernen: Tschick, Trafik, Aktion scharf, Baba.
Doch Vorsicht vor falschen Schlüssen: Der Klassenvorstand ist weniger Manager, als es der Begriff vermuten lässt. Um im schulischen Umfeld zu bleiben: Nicht jede:r Professor:in wurde habilitiert. Wer beim Umzug gebeten wird, einen Kasten zu tragen, muss mehr schwitzen als gedacht. Die Assoziation Bierkasten führt auf die falsche Fährte, beim Kleiderschrank liegt man schon besser. Das bzw. darauf sollte man nicht vergessen.
Hinweis: Thorsten heißt zwar Bayer, ist aber tatsächlich Hesse. Er ist also unsere unumstößliche Instanz für alles, was sich sprachlich nördlich des Weißwurstäquators abspielt 😉
Wenn der Piefke mit dem Ösi: Wie viel Hochdeutsch muss, wie viel Österreichisch darf sein?
Bei den Würstchen geht es schon los. Heißen sie nun Wiener oder Frankfurter? Eigentlich ist beides richtig, meinen zumindest die Wiener:innen: „Als Erfinder dieser Wiener Spezialität gilt der aus Deutschland gebürtige Fleischhauer Johann Georg Lahner, der den Brühwürsten als Erinnerung an die Stadt, in der er seine Ausbildung absolviert hat, den Namen Frankfurter gab, während sie in Deutschland ‚Wiener Würstchen‘ heißen.“ Dass die beiden Produkte nicht ganz dasselbe sind – dort steckt in ihnen nur Brät aus Schweinefleisch, hier aus Schwein und Rind –, sei an dieser Stelle vernachlässigt. Interessanter sind am Zitat für mich, den Piefke, passenderweise gleich zwei Formulierungen, die ich in meiner (wiederum passenderweise) Frankfurter Heimat nicht lesen oder hören würde: „Fleischhauer“ und „aus Deutschland gebürtig“. Da hieße es eher Metzger oder Fleischer sowie „in Deutschland geboren“ oder „aus Deutschland stammend“.
Das soll nicht bedeuten, dass die eine Form richtig und die andere (österreichische) falsch ist. Darauf weist der Journalist und Autor Robert Sedlaczek in einem Interview mit dem Standard hin: „Österreichisch ist keine eigene Sprache, das zu behaupten wäre völlig falsch. Aber es gibt die deutsche Sprache in zwei Ausformungen: ein deutsches Deutsch und ein österreichisches Deutsch. Der Duden neigt dazu, den Norden als Norm zu begreifen und den Süden als Abweichung. Mir geht es darum, die Gleichwertigkeit zu zeigen. Was in Österreich gesprochen wird, ist keine Abartigkeit des Deutschen.” Anlass des Gesprächs im Jahr 2004 war die Veröffentlichung von Sedlaczeks Buch „Das österreichische Deutsch“.
Leckerer Randigstrudel
Welche Form verwenden wir in unseren Texten? Das fragen sich die Pzwei-Mitarbeiter:innen immer wieder. Schreiben wir „heuer“ (eher ja), „Jänner“ und „Feber“ (je nach Empfänger:innen nördlich oder südlich des Bodensees), urgieren beim Rauchfangkehrer (doppelt nein)? Dokumente werden bei uns unterschrieben, nicht unterfertigt. Mit Obst und Gemüse haben wir beruflich selten zu tun, sodass Paradeiser, Fisolen, Karfiol, Ribisel und Randig kein Grund für sprachliche Abwägungen sind. Marillen kennen auch meine Landsleute, Obers und Topfen ebenso – dem geliebten Topfenstrudel auf österreichischen Skihütten sei Dank.
So sind wir bei den Austriazismen angekommen. Einige sind mir in Fleisch und Blut übergegangen. „Es geht sich aus“ ist ein besonders schönes Beispiel. Bei anderen fühlt es sich immer noch komisch an: Wenn etwas um 5 Euro kostet oder am (statt auf dem) Programm steht. Mathematik werde ich weiterhin auf der letzten Silbe betonen, Rechtswissenschaften heißen für mich Jura. Wenn der Fußball ans Aluminium klatscht, trifft er für mich Latte oder Pfosten, aber nicht die Stange. „Es gibt insgesamt rund 7.000 Austriazismen“, schreibt superprof.at. Der Lernstoff ist also umfangreich. Die ersten auf der Website aufgeführten Beispiele machen mir keine Mühe: Beisl, Jause (in Vorarlberger Spielgruppen, Kindergärten und Schulen unumstößlich kombiniert mit „gesunde“), Bankomat, Sackerl fürs Gackerl – eh.
Gerade beim Fußball, einer traditionell vielversprechenden Fundgrube für Linguist:innen und Comedians, fällt eine Stärke von Österreichisch gegenüber Hochdeutsch auf. Dem locker-lässigen Schmäh von Toni Pfeffer (der mit dem ÖFB-Team gegen Spanien zur Halbzeit 0:5 zurückliegt, Endergebnis 0:9) kann Namensvetter Kroos, der mit Real Madrid soeben die Champions League gewonnen hat und bei ZDF-Reporter Nils Kaben zum Interview steht, bei Weitem nicht das Wasser reichen. Vielleicht sind das schlecht vergleichbare Einzelfälle, dennoch: Umgekehrt sind diese Gesprächsverläufe schwer vorstellbar.
Wenn kommst Du nachhause?
Die Erfahrungen eines Zugereisten wie mir mit dem Vorarlberger Dialekt bzw. den Dialekten – gefühlt gibt es in den 96 Vorarlberger Gemeinden mindestens ebenso viele Varianten – beziehen sich in den allermeisten Fällen auf das gesprochene Wort. Schriftlich spielt dieses Thema keine Rolle. Eine Ausnahme ist allenfalls das Universal-Relativpronomen „Wo“: das Problem, wo es gibt – den Mann, wo ich getroffen habe – ein Lied, wo sie kennt. Und ein kleiner Hinweis: Anzeigen werden tatsächlich geschaltet, nicht geschalten. Eine Mail vor einigen Jahren, die mir den Zugang zu einer neuen technischen Anwendung bestätigte, ist mir in Erinnerung geblieben. Darin hieß es: „Ich habe Dich freigeschalten, Du bist jetzt angemolden.“ Die – nennen wir sie: ungewöhnliche – Verwechslung von denn/dann und wenn/wann („Erst erledige ich das eine und denn das andere“) ist auch nur zu hören, nicht zu lesen.
Die Tschick von der Trafik
Bei anderen Unterschieden zwischen Schriftdütsch, Entschuldigung: Hochdeutsch und der österreichischen Version lernt man dazu: Mit der Einheit „Deka“ habe ich mich vor meiner Übersiedlung nie auseinandergesetzt. Beistriche und Strichpunkte sind selbsterklärender als Kommas und Semikola. Was dem Deutschen sein Tesa, ist der Österreicherin ihr Tixo. Wenn Deutsche etwas lecker finden (das ist angeblich der eindeutigste sprachliche Beweis, es mit einem Piefke zu tun zu haben), bevorzugt man hierzulande „fein“. Hier und da gab es für mich einfach neue Vokabeln zu lernen: Tschick, Trafik, Aktion scharf, Baba.
Doch Vorsicht vor falschen Schlüssen: Der Klassenvorstand ist weniger Manager, als es der Begriff vermuten lässt. Um im schulischen Umfeld zu bleiben: Nicht jede:r Professor:in wurde habilitiert. Wer beim Umzug gebeten wird, einen Kasten zu tragen, muss mehr schwitzen als gedacht. Die Assoziation Bierkasten führt auf die falsche Fährte, beim Kleiderschrank liegt man schon besser. Das bzw. darauf sollte man nicht vergessen.
Hinweis: Thorsten heißt zwar Bayer, ist aber tatsächlich Hesse. Er ist also unsere unumstößliche Instanz für alles, was sich sprachlich nördlich des Weißwurstäquators abspielt 😉
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