Pzwei. Blog.
Die Gäste im “Time”
Geschrieben von: Pzwei. Pressearbeit.
Veröffentlicht: 16.11.2016
Eigens für unser Pzwei-Fest im Museumscafé in Bregenz hat Autor Max Lang einen Text geschrieben und an diesem Abend natürlich auch vorgetragen. „Die Gäste im Café Time“ handelt vom Kaffeehaus als Ort der Kommunikation, als Ort zu leben. Das kleine literarische Werk möchten wir teilen, darum hier einfach weiterlesen.
Das Café war etwa 30 Quadratmeter groß, hatte eine Bar, zwei Barhocker, drei kleine runde Tische, einen etwas größeren Tisch in der Mitte des Lokals und einen Fernseher. Es hatte sogar getrennte Toiletten und einen kleinen Schanigarten, dessen Stühle so nah an der Linie 6 standen, dass die Gäste immer den Luftzug der Straßenbahn spürten.
Das Café hieß „Time“. Der Gastwirt hieß Luka. Manchmal stellte er seinen Gästen ein Glas Sliwowitz neben die Kaffeetasse, auch wenn es erst Vormittag war.
In dem Café konnte man sich über alles informieren, was die eigenen Bekannten anging oder die anderen Leute aus der Gegend, die täglich kamen. Mit der Außenwelt war man durch den Fernseher und durch die Zeitungen verbunden. In aller Abgeschiedenheit, hinter den hohen Fenstern in einer dunklen Ecke des Lokals sitzend, konnte man am Leben draußen teilhaben, ohne dass es einen wirklich etwas anging.
Das Café hatte seinen eigenen Rhythmus. Es sperrte um 8 Uhr auf. Es schloss gegen Mitternacht. Die wenigen Stunden, die es zu war, nutzten seine Stammgäste zum Schlafen. Gegenüber dem Café war eine verdunkelte Tür, auf der die Hausnummer des Gebäudes in großen Ziffern stand. Abends konnte man vom Fenster des Cafés aus beobachten, wie alle paar Stunden jemand an der Tür läutete und dann zwanzig oder dreißig Minuten später wieder herauskam. Kurz darauf trat manchmal eine der Prostituierten durch die Tür des Café Time. Sie setzte sich an die Bar und unterhielt sich mit dem Wirt.
Eine berühmte Sängerin ging auch in das Lokal. Sie hatte immer ihren Hund und ihre Freundin dabei. Die Freundin spiele hervorragend Klavier, erzählte man sich. Die Sängerin rauchte eine Zigarette nach der anderen und war dann immer das Zentrum des kleinen Cafés.
Ein Journalist, der oft da war, wollte sie interviewen, aber die Sängerin winkte ihm immer ab. Jedes Mal, wenn er an ihren Tisch trat, verscheuchte sie ihn mit einem bösen Blick.
Ein Gast kam nur alle drei Jahre, die restliche Zeit verbrachte er im Gefängnis. Wenn er kam, sagte er, er habe schon wieder Blödsinn gemacht. Kurz darauf hörte man, er sei wieder eingesperrt worden. Jedenfalls erzählte das der Wirt.
Ein Kriminalbeamte führte zweimal eine Observierung durch vom Lokal aus. Vielleicht musste er auch einfach warten, während die anderen für ihn observierten. Er hatte einen riesigen Bauch und trank sein Seidl sehr langsam.
Studenten und Uni-Lektoren kamen auch. Zwei von ihnen waren Autoren. Der eine wollte einen Verlag gründen. Der andere schrieb an einer längeren Erzählung. Sie soffen und beflügelten sich oft bis Mitternacht und verschwanden anschließend in eine der länger geöffneten Bars der Umgebung.
Ein alter Koch, der jeden zweiten Tag kam, war dafür bekannt, dass er mit seinem Bier- und Schnapskonsum ungefähr die Miete des kleinen Cafés bezahlte.
Ein aufgedunsener Pensionist namens Otto saß jeden Tag dort und erzählte, wie viel Glück er in seinem Leben gehabt habe.Ein pensionierter Bankmitarbeiter schimpfte jeden Tag über die Ausländer, von denen er Schlechtes in den Revolverblättern las. Wenn der indische Rosenverkäufer abends in das Lokal kam, kaufte er ihm trotzdem immer eine Rose ab.
Die zwei Autoren gehen jetzt nicht mehr in das Lokal, der eine ist weggezogen, der andere arbeitet viel an der Universität und kümmert sich um seinen Verlag.
Der Kriminalbeamte sitzt vielleicht immer noch alle paar Monate dort und observiert oder lässt observieren. Die Prostituierten haben den Bezirk gewechselt, nachdem das Etablissement geschlossen worden war.
Der pensionierte Bankmitarbeiter und der glückliche Otto sitzen immer noch dort.
Die berühmte Sängerin ist nicht mehr dort, man weiß nicht, warum. Man sieht sie aber im Fernseher oder liest manchmal von ihr in den Zeitungen, die verstreut über den Tischen liegen.
Auch der Journalist ist verschwunden, vermutlich hat er mit der Sängerin das Lokal gewechselt.
Der pensionierte Koch wird älter und kommt nur mehr jeden dritten Tag.
Luka steht immer noch hinter der Bar und im Sommer geht er mit dem Tablett über den Gehsteig zu seinen Gästen, deren Haar im Luftzug der Straßenbahn weht.
Eigens für unser Pzwei-Fest im Museumscafé in Bregenz hat Autor Max Lang einen Text geschrieben und an diesem Abend natürlich auch vorgetragen. „Die Gäste im Café Time“ handelt vom Kaffeehaus als Ort der Kommunikation, als Ort zu leben. Das kleine literarische Werk möchten wir teilen, darum hier einfach weiterlesen.
Das Café war etwa 30 Quadratmeter groß, hatte eine Bar, zwei Barhocker, drei kleine runde Tische, einen etwas größeren Tisch in der Mitte des Lokals und einen Fernseher. Es hatte sogar getrennte Toiletten und einen kleinen Schanigarten, dessen Stühle so nah an der Linie 6 standen, dass die Gäste immer den Luftzug der Straßenbahn spürten.
Das Café hieß „Time“. Der Gastwirt hieß Luka. Manchmal stellte er seinen Gästen ein Glas Sliwowitz neben die Kaffeetasse, auch wenn es erst Vormittag war.
In dem Café konnte man sich über alles informieren, was die eigenen Bekannten anging oder die anderen Leute aus der Gegend, die täglich kamen. Mit der Außenwelt war man durch den Fernseher und durch die Zeitungen verbunden. In aller Abgeschiedenheit, hinter den hohen Fenstern in einer dunklen Ecke des Lokals sitzend, konnte man am Leben draußen teilhaben, ohne dass es einen wirklich etwas anging.
Das Café hatte seinen eigenen Rhythmus. Es sperrte um 8 Uhr auf. Es schloss gegen Mitternacht. Die wenigen Stunden, die es zu war, nutzten seine Stammgäste zum Schlafen. Gegenüber dem Café war eine verdunkelte Tür, auf der die Hausnummer des Gebäudes in großen Ziffern stand. Abends konnte man vom Fenster des Cafés aus beobachten, wie alle paar Stunden jemand an der Tür läutete und dann zwanzig oder dreißig Minuten später wieder herauskam. Kurz darauf trat manchmal eine der Prostituierten durch die Tür des Café Time. Sie setzte sich an die Bar und unterhielt sich mit dem Wirt.
Eine berühmte Sängerin ging auch in das Lokal. Sie hatte immer ihren Hund und ihre Freundin dabei. Die Freundin spiele hervorragend Klavier, erzählte man sich. Die Sängerin rauchte eine Zigarette nach der anderen und war dann immer das Zentrum des kleinen Cafés.
Ein Journalist, der oft da war, wollte sie interviewen, aber die Sängerin winkte ihm immer ab. Jedes Mal, wenn er an ihren Tisch trat, verscheuchte sie ihn mit einem bösen Blick.
Ein Gast kam nur alle drei Jahre, die restliche Zeit verbrachte er im Gefängnis. Wenn er kam, sagte er, er habe schon wieder Blödsinn gemacht. Kurz darauf hörte man, er sei wieder eingesperrt worden. Jedenfalls erzählte das der Wirt.
Ein Kriminalbeamte führte zweimal eine Observierung durch vom Lokal aus. Vielleicht musste er auch einfach warten, während die anderen für ihn observierten. Er hatte einen riesigen Bauch und trank sein Seidl sehr langsam.
Studenten und Uni-Lektoren kamen auch. Zwei von ihnen waren Autoren. Der eine wollte einen Verlag gründen. Der andere schrieb an einer längeren Erzählung. Sie soffen und beflügelten sich oft bis Mitternacht und verschwanden anschließend in eine der länger geöffneten Bars der Umgebung.
Ein alter Koch, der jeden zweiten Tag kam, war dafür bekannt, dass er mit seinem Bier- und Schnapskonsum ungefähr die Miete des kleinen Cafés bezahlte.
Ein aufgedunsener Pensionist namens Otto saß jeden Tag dort und erzählte, wie viel Glück er in seinem Leben gehabt habe.Ein pensionierter Bankmitarbeiter schimpfte jeden Tag über die Ausländer, von denen er Schlechtes in den Revolverblättern las. Wenn der indische Rosenverkäufer abends in das Lokal kam, kaufte er ihm trotzdem immer eine Rose ab.
Die zwei Autoren gehen jetzt nicht mehr in das Lokal, der eine ist weggezogen, der andere arbeitet viel an der Universität und kümmert sich um seinen Verlag.
Der Kriminalbeamte sitzt vielleicht immer noch alle paar Monate dort und observiert oder lässt observieren. Die Prostituierten haben den Bezirk gewechselt, nachdem das Etablissement geschlossen worden war.
Der pensionierte Bankmitarbeiter und der glückliche Otto sitzen immer noch dort.
Die berühmte Sängerin ist nicht mehr dort, man weiß nicht, warum. Man sieht sie aber im Fernseher oder liest manchmal von ihr in den Zeitungen, die verstreut über den Tischen liegen.
Auch der Journalist ist verschwunden, vermutlich hat er mit der Sängerin das Lokal gewechselt.
Der pensionierte Koch wird älter und kommt nur mehr jeden dritten Tag.
Luka steht immer noch hinter der Bar und im Sommer geht er mit dem Tablett über den Gehsteig zu seinen Gästen, deren Haar im Luftzug der Straßenbahn weht.
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