Pzwei. Blog.
Mediale Grenzüberschreitungen
Geschrieben von: Pzwei. Werner Sommer
Veröffentlicht: 02.11.2020
Welche Themen schaffen es von der einen auf die andere Seite der Grenze? Und warum? Wir haben uns das am Beispiel Vorarlbergs und seiner (medialen) Nachbarn genauer angesehen.
Österreichs westlichstes Bundesland ist zwar klein, hat aber mit der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland und Tirol eine illustre Nachbarschaft.
Die Grundgesamtheit
Für unsere kleine Feldforschung haben wir uns angeschaut, wie oft der Begriff „Vorarlberg“ in folgenden drei Tageszeitungen vom 25. Mai bis zum 23. Juni Erwähnung fand:
- Schwäbische Zeitung: Sie deckt mit 18 Lokalausgaben – eine davon ist die analysierte Lindauer Zeitung – ein Gebiet ab, das von Ellwangen im Norden und Lindau im Süden bis nach Tuttlingen im Westen und Laupheim und Leutkirch im Osten reicht. Die Gesamtauflage beträgt 157.000 Stück.
- Allgäuer Zeitung: Mit Sitz in Kempten (diese Lokalausgabe haben wir herangezogen) und einer Auflage von 69.000 Stück versorgt sie den südwestlichen Zipfel Bayerns, von der Leiblach bis ins Kleinwalsertal und von Füssen im Osten bis Memmingen und Buchloe im Norden.
- St. Galler Tagblatt: Mit 109.000 Exemplaren und acht Regionalausgaben wird die Nordostschweiz täglich mit Information versorgt, von Frauenfeld bis inklusive Liechtenstein. Hier haben wir die Zentralausgabe analysiert.
Die Inhalte
Gesucht haben wir in den PDF-Ausgaben nach der Zeichenfolge „Vorarlberg“. Dabei erhielten wir
- 40 Treffer in 18 Ausgaben der Allgäuer Zeitung,
- 57 Treffer in 17 Ausgaben der Lindauer Zeitung und
- 31 Treffer in 10 Exemplaren des Tagblatts.
Inhaltlich dominierte in der Allgäuer Zeitung mit sieben Meldungen der Sport, von Fußball (Lustenau im Cupfinale, Altach in der Bundesliga) über Eishockey (Gerhard Puschnik trainiert Lindau) bis Handball (HC Hard). Klassische Chronik schlägt fünfmal zu Buche: Fenstersturz von Dreijährigem in Feldkirch, Unfall in der Dornbirner Ach, PKW-Brand in Lustenau, brennendes Alpgebäude in Hittisau und Nackter in Höchst. Der Rest war etwas Kultur (Festtage), Politisches (Grenzöffnung und Kanzlerbesuch im Kleinwalsertal, Diskussion ums Mohrenbräu-Logo) und „Vorarlberg“-Nennungen im Wetterbericht, im Fernsehprogramm und in Inseraten.
In der Lindauer Zeitung ist Sport viermal Thema, Chronikales dreimal. Mit dem Start der Bodenseeschifffahrt sowie dem Wettbewerb um Gäste kommt die Wirtschaft ins Spiel. Eine ganze Seite über die Neugestaltung von Bregenz, mehrere Meldungen über die Grenzöffnung und ein kommunalpolitischer Besuch beim Nachbarn zeugen von Nähe. Mit zwei Ausstellungen, einer Auktion und den Festtagen ist auch die Kultur häufiger vertreten.
Auch beim Tagblatt kommt die Chronik nicht zu kurz (94-Jähriger über Nacht im Freien, Vermisster tot aus Schlucht geborgen oder ein umgekippter Traktoranhänger), beim Sport gibt es nur Ski- und Radfahren, dafür einiges Grenzüberschreitendes (Rhesi, Ministertreffen, gemischte Kulturgruppe) und Wirtschaft (Konkurrenz im Einzelhandel, Recycling von Schweizer Kunststoff oder Lohnproduktion von Getränken).
Das Feedback
„Wir berichten über Vorarlberger Themen, die für unsere Leser interessant sind. Das betrifft vor allem Berufs-Pendler und Kulturinteressierte“, sagt Dirk Augustin, Redaktionsleiter der Lindauer Zeitung. Vorarlberger Wirtschaftsthemen landen dann in der Lindauer Zeitung, wenn es sich um international tätige Unternehmen handelt. Kulturberichte sind für Augustin und sein Team interessant, wenn es Veranstaltungen in Bregenz, Dornbirn oder Feldkirch sind, weil „viele unserer Leser gerne nach Vorarlberg fahren, um Kultur zu genießen“. Durch die Grenznähe ist für die Lindauer alles, was die Freizügigkeit betrifft, interessant: „Verkehrs- und Infrastrukturinformationen, wie Grenzschließung bzw. -öffnung in Corona-Zeiten, haben für uns hohen Informationswert“, erklärt Dirk Augustin. Den Sportteil erstellt die Zentralredaktion in Ravensburg, die Lokalredaktion in Friedrichshafen kümmert sich um die Seite „Am Bodensee“. Informationen zu den jeweiligen Regionen tauschen die Redakteure gegenseitig aus.
Michael Genova, Ressortleiter der Redaktion Ostschweiz beim St. Galler Tagblatt, hält das Ergebnis für repräsentativ. Wie er erklärt, sind für sein Blatt vor allem Vorarlberg-Themen interessant, wenn es um das Verhältnis der Schweiz zur EU geht. „Grenzüberschreitende große Projekte wie Rhesi betreffen natürlich beide Länder und beide Seiten des Rheins.“ Themen aus Vorarlberg werden veröffentlicht, wenn es sich um außerordentlich interessante Ereignisse handelt, die Grenzgänger, den internationalen Handel, den Tourismus oder die Wirtschaft betreffen. „Beiträge in der Chronik werden oft eher zufällig ausgewählt, wenn etwas besonders spektakulär ist oder wir einen Bezug zur Schweiz herstellen können.“ Hohen Nachrichtenwert besitzen auch Wirtschaftsthemen, wenn die Unternehmen auf beiden Seiten der Grenze tätig sind, wie etwa Red Bull und Rauch. „Über Lokalpolitik wird eher weniger berichtet, weil die Vorarlberger Politiker dem Großteil unserer Leser unbekannt sind“, weiß Michael Genova.
Ingrid Grohe, Kulturredakteurin bei der Westallgäuer Zeitung des Allgäuer Zeitungsverlags, hält unser Ergebnis nicht für repräsentativ: In Folge der Corona-Pandemie hätten sich gerade im Sommer Themen und redaktionelle Schwerpunkte verschoben. Wegen abgesagter Veranstaltungen war mehr Zeit, auch Themen jenseits der Grenze wahrzunehmen. Die Einschränkungen im Grenzverkehr wirkten sich stark auf den Alltag der Menschen im Westallgäu aus und schlugen sich deshalb in der Berichterstattung nieder. „Wir verstehen es nicht als unsere Pflicht, ganz Vorarlberg abzubilden, jedoch sehr wohl, es zu beobachten“, sagt Grohe. Vorarlberger Themen bearbeitet in erster Linie die Lokalredaktion des Westallgäuers sowie des Allgäuer Anzeigeblatts in Immenstadt in Absprache mit der Allgäu Rundschau in Kempten. Chronikales wird aus Vorarlberg berichtet, wenn es hohen Informationswert hat: „Wir entscheiden dabei nach Relevanz und Mehrwert für die Leser.“ Die beschränkte Zeit der RedakteurInnen und der begrenzte Platz in der Zeitung spielen bei der Auswahl von Themen jenseits des Verbreitungsgebiets eine Rolle. Informationen aus Vorarlberg erhalten die RedakteurInnen über Nachrichtenseiten wie vol.at oder vorarlberg.orf.at und über Presseaussendungen, nicht zuletzt von Pzwei 😉. Außerdem bearbeiten sie Themen entsprechend ihren eigenen Beobachtungen.
Welche Themen schaffen es von der einen auf die andere Seite der Grenze? Und warum? Wir haben uns das am Beispiel Vorarlbergs und seiner (medialen) Nachbarn genauer angesehen.
Österreichs westlichstes Bundesland ist zwar klein, hat aber mit der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland und Tirol eine illustre Nachbarschaft.
Die Grundgesamtheit
Für unsere kleine Feldforschung haben wir uns angeschaut, wie oft der Begriff „Vorarlberg“ in folgenden drei Tageszeitungen vom 25. Mai bis zum 23. Juni Erwähnung fand:
- Schwäbische Zeitung: Sie deckt mit 18 Lokalausgaben – eine davon ist die analysierte Lindauer Zeitung – ein Gebiet ab, das von Ellwangen im Norden und Lindau im Süden bis nach Tuttlingen im Westen und Laupheim und Leutkirch im Osten reicht. Die Gesamtauflage beträgt 157.000 Stück.
- Allgäuer Zeitung: Mit Sitz in Kempten (diese Lokalausgabe haben wir herangezogen) und einer Auflage von 69.000 Stück versorgt sie den südwestlichen Zipfel Bayerns, von der Leiblach bis ins Kleinwalsertal und von Füssen im Osten bis Memmingen und Buchloe im Norden.
- St. Galler Tagblatt: Mit 109.000 Exemplaren und acht Regionalausgaben wird die Nordostschweiz täglich mit Information versorgt, von Frauenfeld bis inklusive Liechtenstein. Hier haben wir die Zentralausgabe analysiert.
Die Inhalte
Gesucht haben wir in den PDF-Ausgaben nach der Zeichenfolge „Vorarlberg“. Dabei erhielten wir
- 40 Treffer in 18 Ausgaben der Allgäuer Zeitung,
- 57 Treffer in 17 Ausgaben der Lindauer Zeitung und
- 31 Treffer in 10 Exemplaren des Tagblatts.
Inhaltlich dominierte in der Allgäuer Zeitung mit sieben Meldungen der Sport, von Fußball (Lustenau im Cupfinale, Altach in der Bundesliga) über Eishockey (Gerhard Puschnik trainiert Lindau) bis Handball (HC Hard). Klassische Chronik schlägt fünfmal zu Buche: Fenstersturz von Dreijährigem in Feldkirch, Unfall in der Dornbirner Ach, PKW-Brand in Lustenau, brennendes Alpgebäude in Hittisau und Nackter in Höchst. Der Rest war etwas Kultur (Festtage), Politisches (Grenzöffnung und Kanzlerbesuch im Kleinwalsertal, Diskussion ums Mohrenbräu-Logo) und „Vorarlberg“-Nennungen im Wetterbericht, im Fernsehprogramm und in Inseraten.
In der Lindauer Zeitung ist Sport viermal Thema, Chronikales dreimal. Mit dem Start der Bodenseeschifffahrt sowie dem Wettbewerb um Gäste kommt die Wirtschaft ins Spiel. Eine ganze Seite über die Neugestaltung von Bregenz, mehrere Meldungen über die Grenzöffnung und ein kommunalpolitischer Besuch beim Nachbarn zeugen von Nähe. Mit zwei Ausstellungen, einer Auktion und den Festtagen ist auch die Kultur häufiger vertreten.
Auch beim Tagblatt kommt die Chronik nicht zu kurz (94-Jähriger über Nacht im Freien, Vermisster tot aus Schlucht geborgen oder ein umgekippter Traktoranhänger), beim Sport gibt es nur Ski- und Radfahren, dafür einiges Grenzüberschreitendes (Rhesi, Ministertreffen, gemischte Kulturgruppe) und Wirtschaft (Konkurrenz im Einzelhandel, Recycling von Schweizer Kunststoff oder Lohnproduktion von Getränken).
Das Feedback
„Wir berichten über Vorarlberger Themen, die für unsere Leser interessant sind. Das betrifft vor allem Berufs-Pendler und Kulturinteressierte“, sagt Dirk Augustin, Redaktionsleiter der Lindauer Zeitung. Vorarlberger Wirtschaftsthemen landen dann in der Lindauer Zeitung, wenn es sich um international tätige Unternehmen handelt. Kulturberichte sind für Augustin und sein Team interessant, wenn es Veranstaltungen in Bregenz, Dornbirn oder Feldkirch sind, weil „viele unserer Leser gerne nach Vorarlberg fahren, um Kultur zu genießen“. Durch die Grenznähe ist für die Lindauer alles, was die Freizügigkeit betrifft, interessant: „Verkehrs- und Infrastrukturinformationen, wie Grenzschließung bzw. -öffnung in Corona-Zeiten, haben für uns hohen Informationswert“, erklärt Dirk Augustin. Den Sportteil erstellt die Zentralredaktion in Ravensburg, die Lokalredaktion in Friedrichshafen kümmert sich um die Seite „Am Bodensee“. Informationen zu den jeweiligen Regionen tauschen die Redakteure gegenseitig aus.
Michael Genova, Ressortleiter der Redaktion Ostschweiz beim St. Galler Tagblatt, hält das Ergebnis für repräsentativ. Wie er erklärt, sind für sein Blatt vor allem Vorarlberg-Themen interessant, wenn es um das Verhältnis der Schweiz zur EU geht. „Grenzüberschreitende große Projekte wie Rhesi betreffen natürlich beide Länder und beide Seiten des Rheins.“ Themen aus Vorarlberg werden veröffentlicht, wenn es sich um außerordentlich interessante Ereignisse handelt, die Grenzgänger, den internationalen Handel, den Tourismus oder die Wirtschaft betreffen. „Beiträge in der Chronik werden oft eher zufällig ausgewählt, wenn etwas besonders spektakulär ist oder wir einen Bezug zur Schweiz herstellen können.“ Hohen Nachrichtenwert besitzen auch Wirtschaftsthemen, wenn die Unternehmen auf beiden Seiten der Grenze tätig sind, wie etwa Red Bull und Rauch. „Über Lokalpolitik wird eher weniger berichtet, weil die Vorarlberger Politiker dem Großteil unserer Leser unbekannt sind“, weiß Michael Genova.
Ingrid Grohe, Kulturredakteurin bei der Westallgäuer Zeitung des Allgäuer Zeitungsverlags, hält unser Ergebnis nicht für repräsentativ: In Folge der Corona-Pandemie hätten sich gerade im Sommer Themen und redaktionelle Schwerpunkte verschoben. Wegen abgesagter Veranstaltungen war mehr Zeit, auch Themen jenseits der Grenze wahrzunehmen. Die Einschränkungen im Grenzverkehr wirkten sich stark auf den Alltag der Menschen im Westallgäu aus und schlugen sich deshalb in der Berichterstattung nieder. „Wir verstehen es nicht als unsere Pflicht, ganz Vorarlberg abzubilden, jedoch sehr wohl, es zu beobachten“, sagt Grohe. Vorarlberger Themen bearbeitet in erster Linie die Lokalredaktion des Westallgäuers sowie des Allgäuer Anzeigeblatts in Immenstadt in Absprache mit der Allgäu Rundschau in Kempten. Chronikales wird aus Vorarlberg berichtet, wenn es hohen Informationswert hat: „Wir entscheiden dabei nach Relevanz und Mehrwert für die Leser.“ Die beschränkte Zeit der RedakteurInnen und der begrenzte Platz in der Zeitung spielen bei der Auswahl von Themen jenseits des Verbreitungsgebiets eine Rolle. Informationen aus Vorarlberg erhalten die RedakteurInnen über Nachrichtenseiten wie vol.at oder vorarlberg.orf.at und über Presseaussendungen, nicht zuletzt von Pzwei 😉. Außerdem bearbeiten sie Themen entsprechend ihren eigenen Beobachtungen.
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