Pzwei. Blog.
„Nun sagt, wie haltet ihr es mit dem Gendern?“
Geschrieben von: Pzwei. Caroline Egelhofer
Veröffentlicht: 08.03.2018
Die adaptierte Gretchenfrage der lieben Margarethe aus „Faust I“ ist diesmal an uns selbst gerichtet. Solche Gesinnungsfragen verlangen Reflexion und Bekenntnis. Dem stellen wir uns gerne. Unser Versprechen zum heutigen Weltfrauentag: Einen Monat lang prüfen wir jeden unserer Texte auf geschlechterneutrale Formulierungen. Wir werden heiß diskutieren – und die Erkenntnisse unseres Selbstversuchs wieder hier in unserem Blog publizieren.
Unser Beruf bringt es mit sich, dass wir viele Stunden am Tag an Texten arbeiten. Wir produzieren, korrigieren, lektorieren und publizieren. Wir stolpern dabei wieder und wieder über die Frage: gendern oder nicht gendern? Der Tenor in den Diskussionen: „Da leidet die Lesbarkeit!“ oder „Mühselig!“ oder „Die Kunden/Journalisten wollen es so!“ (Übrigens auch viele Kundinnen und Journalistinnen.)
So nimmt frau oder man weiterhin die männliche Form – weil weiblich ist eh auch gemeint – oder umgeht die Sache mit einem substantivierten Partizip („Mitarbeitende“). Die Frage drängt sich auf:
Machen wir es uns damit zu leicht?
Warum dieser Blogbeitrag jetzt kommt hat zwei gute Gründe. Erstens wurden wir von einem unserer Kunden (die männliche Form ist hier korrekt!) beim Lektorat seines Buches um unsere Meinung gebeten. Die Überlegung, wie das ganze Buch „gendertechnisch“ zu formulieren sei, hat uns seither umgetrieben. Zweitens ist heute Internationaler Frauentag, und es geht nichts über den richtigen Zeitpunkt.
Sprache dient der Bewusstseinsbildung, sie formt und bildet ab. Lassen wir die geschlechterinklusive Form außen vor, exkludieren wir sprachlich. Dann machen wir weiblich, queer oder trans auch niemals im gesellschaftlichen Kontext sichtbar. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Wie recht Wittgenstein in seiner Abhandlung über die Sprache (Tractatus logico-philosophicus) doch hatte.
Es ist also auch 2018 immer noch wenig verwunderlich, dass wir stereotype Bilder und Vorstellungen abgespeichert haben. Oder denkt jemand bei „Ärzte ohne Grenzen“ zuerst an Frauen? In einem Artikel aus der „Presse“ ist von einer internationalen Studie zu lesen, bei der Kinder gebeten wurden, einen „scientist“ zu zeichnen. Das Ergebnis: Fast alle Kinder zeichneten einen Mann.
In der Sprache beginnt die Gleichberechtigung!
Nach wie vor sind wir nicht gegenderte Texte ganz einfach gewohnt, beim Schreiben und beim Lesen. Die Sprache ist mit Werten verknüpft, und die lassen sich nicht so einfach entkoppeln. Wenn gendern normal wird, wenn wir beim Sprechen und Schreiben stets inkludieren, dann ändern wir damit auch das Bewusstsein. Wir Textarbeiter_innen sind gefragt bei dieser neuen Bewusstseinsbildung.
Unsere Sprache ändert sich laufend. Binnen-I, Querstrich, Sternchen oder Unterstrich, das Anführen beider Formen („Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“) sind heute viel gängiger als noch vor wenigen Jahren. Das Argument, dass die Texte schlecht lesbar sind, verliert damit an Bedeutung.
Was die Jugendlichen mit dem ständigen Umformen und Neuformulieren von Sprache schaffen, müsste „vong Prinzip her“ überall funktionieren, oder? Dann steht der schönen neuen Welt, in der es heißt: „I bims, die_der_das gendert!“ nichts mehr im Wege.
Spielräume nützen
Pressearbeit bedeutet, Inhalte unserer Kund*innen optimal für die Medien und ihre LeserInnen aufzubereiten. Unser Anspruch: Dass unsere Texte von den Redakteur_innen eins zu eins übernommen werden können. Das passiert auch erfreulich oft.
Nachdem im deutschen Sprachraum die allerwenigsten Medien gendern und es auch keinen Standard dafür gibt, verwenden wir nach wie vor die gebräuchlichen, in der Regel also männlichen, Formulierungen. Davon weichen wir ab, wenn es unsere Kund/inn/en wünschen. Noch einmal stellt sich die Frage: Machen wir es uns damit zu leicht?
Die Antwort suchen wir in den kommenden vier Wochen. Eine unserer internen Regeln lautet: Jeder von uns verfasste Text wird gegengelesen, bevor er zum Kunden geht. Neben Verständlichkeit und Rechtschreibung wird für die nächsten vier Wochen auch die ausgewogene Repräsentanz der Geschlechter unter die Lupe genommen.
Wir werden diskutieren: Wo lassen sich geschlechterinklusive Formulierungen finden? Wo leidet die Lesbarkeit tatsächlich? In unserer wöchentlichen Teambesprechung werden wir unsere Erfahrungen austauschen. Nach dem Experiment werden wir an dieser Stelle über unsere Erfahrungen berichten. Wir sind gespannt.
In diesem Sinne:
Schönen Weltfrauentag
wünscht das Team von Pzwei. Pressearbeit.
P.S.: Wer beim Schreiben mehr Klarheit braucht: Die Uni Bern hat einen Leitfaden herausgebracht, der sehr zu empfehlen ist: Geschlechtergerechte Sprache Uni Bern
Gendern
Gender ist ein aus den Sozialwissenschaften entnommener Begriff, kommt aus dem Englischen und meint das „soziale, gesellschaftlich konstruierte Geschlecht“ in Abgrenzung zum biologischen; übersetzt bedeutet gendern „vergeschlechtlichen“ – dieser Begriff ist allerdings viel zu sperrig im Gebrauch, deshalb hat gendern als Verb Einzug ins Deutsche gehalten.
Die adaptierte Gretchenfrage der lieben Margarethe aus „Faust I“ ist diesmal an uns selbst gerichtet. Solche Gesinnungsfragen verlangen Reflexion und Bekenntnis. Dem stellen wir uns gerne. Unser Versprechen zum heutigen Weltfrauentag: Einen Monat lang prüfen wir jeden unserer Texte auf geschlechterneutrale Formulierungen. Wir werden heiß diskutieren – und die Erkenntnisse unseres Selbstversuchs wieder hier in unserem Blog publizieren.
Unser Beruf bringt es mit sich, dass wir viele Stunden am Tag an Texten arbeiten. Wir produzieren, korrigieren, lektorieren und publizieren. Wir stolpern dabei wieder und wieder über die Frage: gendern oder nicht gendern? Der Tenor in den Diskussionen: „Da leidet die Lesbarkeit!“ oder „Mühselig!“ oder „Die Kunden/Journalisten wollen es so!“ (Übrigens auch viele Kundinnen und Journalistinnen.)
So nimmt frau oder man weiterhin die männliche Form – weil weiblich ist eh auch gemeint – oder umgeht die Sache mit einem substantivierten Partizip („Mitarbeitende“). Die Frage drängt sich auf:
Machen wir es uns damit zu leicht?
Warum dieser Blogbeitrag jetzt kommt hat zwei gute Gründe. Erstens wurden wir von einem unserer Kunden (die männliche Form ist hier korrekt!) beim Lektorat seines Buches um unsere Meinung gebeten. Die Überlegung, wie das ganze Buch „gendertechnisch“ zu formulieren sei, hat uns seither umgetrieben. Zweitens ist heute Internationaler Frauentag, und es geht nichts über den richtigen Zeitpunkt.
Sprache dient der Bewusstseinsbildung, sie formt und bildet ab. Lassen wir die geschlechterinklusive Form außen vor, exkludieren wir sprachlich. Dann machen wir weiblich, queer oder trans auch niemals im gesellschaftlichen Kontext sichtbar. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Wie recht Wittgenstein in seiner Abhandlung über die Sprache (Tractatus logico-philosophicus) doch hatte.
Es ist also auch 2018 immer noch wenig verwunderlich, dass wir stereotype Bilder und Vorstellungen abgespeichert haben. Oder denkt jemand bei „Ärzte ohne Grenzen“ zuerst an Frauen? In einem Artikel aus der „Presse“ ist von einer internationalen Studie zu lesen, bei der Kinder gebeten wurden, einen „scientist“ zu zeichnen. Das Ergebnis: Fast alle Kinder zeichneten einen Mann.
In der Sprache beginnt die Gleichberechtigung!
Nach wie vor sind wir nicht gegenderte Texte ganz einfach gewohnt, beim Schreiben und beim Lesen. Die Sprache ist mit Werten verknüpft, und die lassen sich nicht so einfach entkoppeln. Wenn gendern normal wird, wenn wir beim Sprechen und Schreiben stets inkludieren, dann ändern wir damit auch das Bewusstsein. Wir Textarbeiter_innen sind gefragt bei dieser neuen Bewusstseinsbildung.
Unsere Sprache ändert sich laufend. Binnen-I, Querstrich, Sternchen oder Unterstrich, das Anführen beider Formen („Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“) sind heute viel gängiger als noch vor wenigen Jahren. Das Argument, dass die Texte schlecht lesbar sind, verliert damit an Bedeutung.
Was die Jugendlichen mit dem ständigen Umformen und Neuformulieren von Sprache schaffen, müsste „vong Prinzip her“ überall funktionieren, oder? Dann steht der schönen neuen Welt, in der es heißt: „I bims, die_der_das gendert!“ nichts mehr im Wege.
Spielräume nützen
Pressearbeit bedeutet, Inhalte unserer Kund*innen optimal für die Medien und ihre LeserInnen aufzubereiten. Unser Anspruch: Dass unsere Texte von den Redakteur_innen eins zu eins übernommen werden können. Das passiert auch erfreulich oft.
Nachdem im deutschen Sprachraum die allerwenigsten Medien gendern und es auch keinen Standard dafür gibt, verwenden wir nach wie vor die gebräuchlichen, in der Regel also männlichen, Formulierungen. Davon weichen wir ab, wenn es unsere Kund/inn/en wünschen. Noch einmal stellt sich die Frage: Machen wir es uns damit zu leicht?
Die Antwort suchen wir in den kommenden vier Wochen. Eine unserer internen Regeln lautet: Jeder von uns verfasste Text wird gegengelesen, bevor er zum Kunden geht. Neben Verständlichkeit und Rechtschreibung wird für die nächsten vier Wochen auch die ausgewogene Repräsentanz der Geschlechter unter die Lupe genommen.
Wir werden diskutieren: Wo lassen sich geschlechterinklusive Formulierungen finden? Wo leidet die Lesbarkeit tatsächlich? In unserer wöchentlichen Teambesprechung werden wir unsere Erfahrungen austauschen. Nach dem Experiment werden wir an dieser Stelle über unsere Erfahrungen berichten. Wir sind gespannt.
In diesem Sinne:
Schönen Weltfrauentag
wünscht das Team von Pzwei. Pressearbeit.
P.S.: Wer beim Schreiben mehr Klarheit braucht: Die Uni Bern hat einen Leitfaden herausgebracht, der sehr zu empfehlen ist: Geschlechtergerechte Sprache Uni Bern
Gendern
Gender ist ein aus den Sozialwissenschaften entnommener Begriff, kommt aus dem Englischen und meint das „soziale, gesellschaftlich konstruierte Geschlecht“ in Abgrenzung zum biologischen; übersetzt bedeutet gendern „vergeschlechtlichen“ – dieser Begriff ist allerdings viel zu sperrig im Gebrauch, deshalb hat gendern als Verb Einzug ins Deutsche gehalten.
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