Kammer der ZiviltechnikerInnen für Tirol und Vorarlberg

Vor­arl­berger Archi­tek­tInnen for­dern mehr Wett­be­werbe für die Baukultur

Selbst­ver­pflich­tung auf die Wett­be­werbs­stan­dards der Kammer – Appell an Auftraggeber

Vor­arl­bergs Archi­tek­tinnen und Archi­tekten sorgen sich um den guten Ruf der hei­mi­schen Archi­tektur. 120 der 150 Vor­arl­berger Archi­tek­tur­büros unter­zeich­neten in den ver­gan­genen Wochen einen Appell für mehr Wett­be­werbe und eine faire Part­ner­schaft zwi­schen Auf­trag­ge­bern und Archi­tek­tInnen. Er ent­hält auch eine Selbst­ver­pflich­tung, nur mehr an Wett­be­werben teil­zu­nehmen, die den Stan­dards der Kammer der Zivil­tech­ni­ke­rInnen entsprechen.

Bau­kultur ist ein gesell­schaft­li­ches Anliegen“, betont der Vor­arl­berger Archi­tekt Josef Fink, Vor­sit­zender des Wett­be­werbs­aus­schusses in der Kammer der Zivil­tech­ni­ke­rInnen für Tirol und Vor­arl­berg. „Archi­tek­tinnen und Archi­tekten sind nicht nur dem Auf­trag­geber, son­dern auch der Öffent­lich­keit verpflichtet.“

Tat­säch­lich sieht Fink den inter­na­tional guten Ruf der Vor­arl­berger Archi­tektur in Gefahr: „Die Strahl­kraft der Vor­arl­berger Archi­tektur ist nach wie vor hoch. Doch viele Bauten, die in den ver­gan­genen Jahren neu ent­standen sind, genügen diesem Qua­li­täts­an­spruch nicht.“ Das werde auch in Gesprä­chen mit Außen­ste­henden deut­lich, die intuitiv die „Schuhschachtel-Architektur“ kri­ti­sieren, die „immer gleich ausschaut“.

Vor allem öffent­liche Bauten und pri­vate Ein­fa­mi­li­en­häuser ziehen nach wie vor archi­tek­tu­raf­fine Besu­che­rInnen an“, schil­dert Fink. Basis für diese her­aus­ra­genden archi­tek­to­ni­schen Leis­tungen sind eine faire Part­ner­schaft zwi­schen Auf­trag­ge­be­rInnen und Pla­ne­rInnen. Bei öffent­li­chen Bauten werden fast immer Architektur-Wettbewerbe aus­ge­schrieben. Pri­vate Auf­trag­ge­be­rInnen führen meist Gespräche mit meh­reren Büros und suchen auf diese Weise nach der für sie besten Lösung.

Faire Wett­be­werbe gefordert
„Wett­be­werbe führen zu mehr Inno­va­tion und Qua­lität, wenn sie fair abge­wi­ckelt werden“, ist Josef Fink über­zeugt. Das war nach Ansicht vieler Archi­tek­tInnen in den ver­gan­genen Jahren oft nicht der Fall. Beson­ders im Wohnbau und in Indus­trie, Gewerbe und Handel würden strikte Vor­gaben bei der Aus­schrei­bung und der Ver­such der Kos­ten­mi­ni­mie­rung in der Umset­zung Inno­va­tion behindern.

Die häufig genannten Argu­mente gegen Wett­be­werbe – Kosten, Zeit und der Ver­lust der Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz – lässt Fink nicht gelten. Der Mehr­wert eines Wett­be­werbs sei fast immer höher als die ohnehin geringen Kosten. Der Zeit­auf­wand von durch­schnitt­lich zwei Monaten werde in der Umset­zungs­phase aus­ge­gli­chen, weil ein Wett­be­werb den Auf­trag­geber dazu zwinge, die Anfor­de­rungen klar zu definieren.

Und die Ent­schei­dung über das Sie­ger­pro­jekt treffe eine gute Jury nie gegen den Auf­trag­geber: „Wer einmal in einer Wett­be­werbs­jury war, der weiß, dass das eine hilf­reiche Bera­tung ist, die die Anliegen des Auf­trag­ge­bers respektiert.“

Dialog mit den Auftraggebern
Auf Initia­tive nam­hafter Vor­arl­berger Archi­tek­tur­büros führte die Kammer der Zivil­tech­ni­ke­rInnen für Tirol und Vor­arl­berg in den ver­gan­genen Monaten Gespräche mit öffent­li­chen, gemein­nüt­zigen und pri­vaten Auf­trag­ge­bern. „Wir suchen ganz bewusst den Dialog mit unseren Kun­dinnen und Kunden. Es geht um ein Mit­ein­ander für mehr Qua­lität und nicht um ein Gegen­ein­ander“, betont Archi­tekt Bern­hard Marte, Vor­stands­mit­glied der Kammer.

Par­allel erar­bei­tete die Archi­tek­tIn­nen­kammer zusammen mit vielen Vor­arl­berger Büros eine Selbst­ver­pflich­tung, die inzwi­schen von 120 der 150 selbst­stän­digen Archi­tek­tinnen und Archi­tekten unter­zeichnet wurde.

Opti­male Lösungen finden
Unter dem Titel „Unter­stüt­zungs­er­klä­rung zur Wett­be­werbs­kultur“ for­dert das Papier „fair aus­ge­lobte, lau­tere und pro­fes­sio­nell durch­ge­führte Wett­be­werbs­ver­fahren“. Wett­be­werbe seien „das am besten geeig­nete Instru­ment zur Ermitt­lung opti­maler Lösungen für gestellte Ent­wurfs­auf­gaben“, heißt es darin. „Neben dem pri­mären Ziel der Qua­li­täts­stei­ge­rung schafft der Wett­be­werb fun­dierte Grund­lagen für eine wirt­schaft­liche, effi­zi­ente und erfolg­reiche Pro­jekt­ab­wick­lung … Archi­tek­tur­wett­be­werbe leisten einen unver­zicht­baren Bei­trag zur Bau­kultur unseres Landes.“

Sämt­liche Unter­zeichner ver­pflichten sich, nur mehr an Wett­be­werben teil­zu­nehmen, die den Stan­dards der Kammer ent­spre­chen. Sie sehen vor:

  • Gleich­be­hand­lung und Anony­mität der teil­neh­menden Büros und Trans­pa­renz in der Durchführung
  • Absichts­er­klä­rung zur Beauf­tra­gung des sieg­rei­chen Büros
  • fach­kom­pe­tente und unab­hän­gige Beurteilung
  • ange­mes­sene Preise und Entschädigungen
  • klare Rege­lung der Werknutzungsrechte

Mehr­wert für den Auftraggeber
Dass Wett­be­werbe für die Auf­trag­geber mit Kosten ver­bunden sind, ist den Archi­tek­tInnen bewusst: „Die Aus­lo­bung erhöht die Kosten in der Pro­jek­tie­rungs­phase. Gleich­zeitig eröffnet ein Wett­be­werb die Chance auf ein her­vor­ra­gendes Kosten-Nutzen-Verhältnis.“

Ein häu­figer Dis­kus­si­ons­punkt zwi­schen Auf­trag­ge­bern und Archi­tek­tIn­nen­kammer sind die Hono­rare, die bei einem Wett­be­werb gezahlt werden. Für eine hohe Qua­lität for­dern die Archi­tek­tInnen auch hier eine ange­mes­sene Rege­lung: „Ein fair hono­rierter Wett­be­werb für eine Wohn­an­lage mit 100 Woh­nungen kostet so viel wie ein ein­ziges Schlaf­zimmer“, ver­gleicht Marte. „Bisher bekommen wir Archi­tek­tInnen oft nur den Gegen­wert eines Abstell­raumes.“ Für die Gestal­tung der Abschlags­ho­no­rare stellt die Kammer einen Preis­geld­rechner zur Verfügung.

Qua­lität im öffent­li­chen Raum
Auch Verena Konrad, Direk­torin des vai Vor­arl­berger Archi­tektur Insti­tuts, unter­stützt die For­de­rung der Archi­tek­tInnen nach mehr Wett­be­werben: „Eine unab­hän­gige Jury legt das Augen­merk nicht nur auf maxi­malen Nutzen beim Ver­kauf der Woh­nungen, son­dern sucht auch städ­te­bau­lich opti­male Lösungen.“ Es sei eine gesamt­ge­sell­schaft­liche Auf­gabe guter Archi­tektur, nicht nur qua­li­tät­volle Gebäude zu schaffen, son­dern auch öffent­liche und halb­öf­fent­liche Räume zu gestalten.

Konrad erhofft sich aus mehr und anders gestal­teten Wett­be­werben „einen Inno­va­ti­ons­schub für die Vor­arl­berger Archi­tektur“. Inno­va­tionen seien ins­be­son­dere im Wohnbau in Vor­arl­berg in den ver­gan­genen Jahren nur in kleinen Schritten erfolgt.

Das Vor­arl­berger Archi­tektur Institut plant beglei­tend zum Vor­stoß der Archi­tek­tInnen eine Ver­an­stal­tungs­reihe zum „Wert geis­tigen Eigen­tums“: „Wir möchten damit die geis­tige Leis­tung von Archi­tek­tinnen und Archi­tekten bewusst machen und Ach­tung und Wert­schät­zung für ihre Arbeit för­dern“, so Konrad.

Posi­tive Erfahrungen
Univ.-Prof. Her­mann Kauf­mann war sowohl viel­fa­cher Teil­nehmer an Wett­be­werben als auch Mit­glied in Jurys. Er ist über­zeugt: „Wett­be­werbe lösen nicht alle Pro­bleme, aber sie sind ein gutes Instru­ment, um eine hohe Qua­lität in der Archi­tektur sicher­zu­stellen. Um wenig Geld bekommen die Auf­trag­geber eine unwahr­schein­liche Lösungs­viel­falt mit einer hohen Garantie, die beste Lösung zu kriegen.

Als Beleg führt er die Gemeinden an, die Wett­be­werbe früher nur durch­ge­führt hätten, weil sie gesetz­lich vor­ge­schrieben waren. Heute haben fast alle Gemeinden erkannt, welche Chancen ein Wett­be­werb biete, sagt Kauf­mann: „Bau­kultur hat heute einen hohen Stel­len­wert. Dazu haben viele erfolg­reiche Wett­be­werbe beigetragen.“

Es sei wahr­schein­lich über­ra­schend, dass Archi­tek­tInnen mehr Wett­be­werbe ein­for­dern, sich also mehr Kon­kur­renz zwi­schen den Büros wün­schen. Doch das Bewusst­sein sei da, dass die hohe Qua­lität nur im Wett­be­werb der Ideen mög­lich sei.

Chance für junge Büros
Für Kauf­mann bieten faire Archi­tek­tur­wett­be­werbe, bei denen die Jury die Pro­jekte anonym beur­teilt, eine Chance vor allem für junge Büros. „Sie haben dort die Mög­lich­keit, sich mit fri­schen Ideen einen Namen zu machen. Das hält auch die eta­blierten Büros in Schwung.“

Genau so hätten sich die Vor­arl­berger Büros auch inter­na­tional einen Namen gemacht: Obwohl im inter­na­tio­nalen Maß­stab klein, konnten sie mit her­aus­ra­genden Pro­jekt­ideen immer wieder renom­mierte Aus­schrei­bungen gewinnen. Vor­arl­berg sieht Kauf­mann dabei als „Architektur-Labor“: „Ohne die scharfe Kon­kur­renz im Land hätten wir nicht diese hohe Qua­lität.“ Das ist auch die Basis für den Export­erfolg einiger inter­na­tional tätigen Vor­arl­berger Archi­tek­tur­büros, vom dem zahl­reiche hei­mi­sche Betriebe des Bau­we­sens profitieren.