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Bet­tina Für­linger: „Keine Angst vor Emotionen!“

Sto­rytel­ling ist ein wich­tiges Werk­zeug für krea­tive Kom­mu­ni­ka­tion. Doch wie sollen Geschichten gestaltet sein, damit sie die Zuhö­re­rInnen oder Lese­rInnen packen und für ein Thema begeis­tern? Bet­tina Für­linger ist Kommunikations- und Story-Coach, schon seit län­gerem arbeitet sie in unter­schied­li­chen Pro­jekten mit Pzwei zusammen. Im Inter­view verrät sie, was gute Geschichten aus­macht und wie sie vor­geht, um authen­ti­sche Bot­schaften zu vermitteln.

Wie und warum wirken Geschichten bei uns Menschen? 

Für­linger: Men­schen lieben es, mit dem Prot­ago­nisten einer Geschichte mit­zu­fie­bern und mit­zu­er­leben, wie er sein Ziel oder seinen Wunsch erreicht – egal welche Hin­der­nisse er dabei über­winden muss. Geschichten spre­chen das lim­bi­sche System im Gehirn an, also jenen Teil, in dem Emo­tionen ver­ar­beitet werden. Zahlen, Daten und Fakten dagegen werden im Neo­cortex ver­ar­beitet. Eine gute Geschichte wirkt wie eine Art Flug­si­mu­lator im Gehirn. Sie lässt uns mit dem Prot­ago­nisten zusammen abheben.

Das Prinzip Show, don´t tell (Copyright: Bettina Fürlinger)

Was alles braucht eine Geschichte, damit sie eine gute Geschichte ist? 

Eine Geschichte muss authen­tisch sein, damit sie wirkt, denn Authen­ti­zität schafft Ver­trauen. Es gilt her­aus­zu­finden, wo genau die Energie drin­steckt. Dann wird die Bot­schaft, die ich ver­mit­teln möchte, auch spürbar und kommt an. Ich arbeite nach dem Prinzip „Show, don´t tell“: Eine Behaup­tung ist schnell for­mu­liert, diese können die Lese­rInnen oder Zuhö­re­rInnen glauben oder nicht. Ziel­füh­render ist es, wenn ich etwas in Bil­dern und Szenen wie in einem Film zeige und es dadurch nach­voll­ziehbar wird. Dann kann mein Publikum seinen eigenen Schluss daraus ziehen.

Wann macht Sto­rytel­ling in der Kom­mu­ni­ka­tion Sinn?

Ich denke nicht, dass Sto­rytel­ling um jeden Preis ange­wendet werden sollte. Viel­mehr ist es ein Instru­ment, um glaub­würdig, lebendig und kreativ zu kom­mu­ni­zieren. Es muss ein­fach zu dem­je­nigen passen, der kom­mu­ni­zieren möchte. Auch Zahlen und Daten haben ihre Rele­vanz. Doch mit Hilfe von Sto­rytel­ling kann ich meine Adres­sa­tInnen sehr gut abholen, invol­vieren und inspi­rieren. Ziel ist es, in der Kom­mu­ni­ka­tion einen guten Mix zu finden und alle Aspekte mög­lichst abzudecken.

Wie kann Sto­rytel­ling in der Pres­se­ar­beit ein­ge­setzt werden?

In Pres­se­mit­tei­lungen neigen wir zur Einbahnstraßen-Kommunikation. Wir ver­mit­teln, wer wir sind, was wir tun und wor­über wir infor­mieren möchten. Den Teil­neh­me­rInnen meiner Work­shops lege ich ans Herz, in die Rolle ihrer Kun­dInnen und Stake­holder zu schlüpfen und mit deren Augen zu sehen, frei nach dem Motto im Film Avatar: „Ich sehe dich.“  So können in einer Pres­se­mit­tei­lung selbst Mini-„Dramen“ ent­halten sein, die sich der Stil­mittel der Dra­ma­turgie bedienen: einem Span­nungs­bogen bei­spiels­weise, der die Lese­rInnen durch die Geschichte leitet und die Bot­schaft, etwa die Pro­blem­lö­sungs­kom­pe­tenz des Unter­neh­mens, ver­mit­telt. Wenn eine Pres­se­infor­ma­tion den Mehr­wert für die Lese­rInnen eines Mediums klar zum Aus­druck bringt, hat sie ungleich höhere Chancen, in die Bericht­erstat­tung auf­ge­nommen zu werden.

Story Ingredients (Copyright: Bettina Fürlinger)

Was sind die wich­tigsten Werk­zeuge beim Storytelling?

Ich arbeite mit der Hel­den­reise nach Joseph Camp­bell, er war ein ame­ri­ka­ni­scher Mythen­for­scher. Zual­ler­erst muss ich meinen Prot­ago­nisten finden, mit dem sich die Zuhö­re­rInnen oder Lese­rInnen iden­ti­fi­zieren können. Dieser Prot­ago­nist hat ein Ziel oder ein Anliegen, das er errei­chen möchte. Und klar, es gibt Hin­der­nisse auf dem Weg dorthin. Als Rahmen braucht es eine Sze­nerie, in die das Publikum ein­tau­chen kann. Wichtig sind dabei die Details, die ich ver­mittle und die Bilder, die ich erzeuge. Ich arbeite hier gerne mit Ana­lo­gien und Meta­phern. Im Zen­trum steht schließ­lich die Bot­schaft, die ich ver­mit­teln will. Ich muss mich immer fragen, ob die Bot­schaft ent­lang des Span­nungs­bo­gens meiner Geschichte auch zum Aus­druck kommt.

Können Sie drei grund­le­gende Tipps für gutes Sto­rytel­ling verraten?

Keine Angst vor Emo­tionen! Schließ­lich möchte ich Men­schen berühren und mich oder mein Unter­nehmen greifbar machen. Ein wei­terer Rat von mir ist, auch über Hin­der­nisse zu spre­chen und dar­über, wie sie über­wunden worden sind. Das lässt die Zuhö­re­rInnen oder Lese­rInnen hinter die Kulissen bli­cken und macht mich glaub­würdig. Als Aus­gangs­punkt für das Sto­rytel­ling emp­fehle ich Free­wri­ting oder eine unzen­su­rierte Mindmap anzu­legen. Sto­rytel­ling ist Krea­tiv­ar­beit und so kann ich den Krea­tiv­raum weit auf­ma­chen. Dabei ist alles erlaubt, was kommt – das führt oft zu den besten Ideen.

Bettina Fürlinger (Copyright: Katharina Höppel)


Bet­tina Für­linger
ist Grün­derin von be your story (www.beyourstory.at). Als Lek­torin unter­richtet sie an der Donau-Universität Krems Media Entre­pre­neur­ship und Wis­sens­ma­nage­ment, an der IMC Fach­hoch­schule Krems Team­ma­nage­ment und Kom­mu­ni­ka­tion. Für­linger ist diplo­mierte Trai­nerin und Coach nach der FUTURE®-Methode sowie CSR- und Nachhaltigkeitsmanagerin.

Bet­tina Für­linger bietet Storytelling-Seminare sowohl in ihrem “be your story”-Space in Wien als auch online an: https://www.beyourstory.at/workshops/

 

Wie Bilder wirken

Ein Beschäftigter aus dem Bereich Nachhaltigkeit in einem Lebensmittelkonzern erklärte Bettina Fürlinger im Gespräch, was ihn zu seiner Berufswahl geführt hat. Eindrücklich schilderte er, wie er im Roten Meer tauchen war. Die Abendsonne beleuchtete den Meeresboden. Plötzlich kam ihm ein Schwarm Delfine entgegen und er befand sich dann mitten unter den Tieren. Er hörte ihre Laute, ihr Klickern und Pfeifen und durfte eine ganze Weile mit dem Schwarm mitschwimmen. Dieses Erlebnis hat den Mann nachhaltig geprägt und ihn dazu bewogen, Meeresbiologie zu studieren.

Mit seiner Erzählung hat er Bilder im Kopf seines Gegenübers entstehen lassen und auch wir waren jetzt mit ihm kurz am Roten Meer tauchen. Er hat gezeigt, warum Nachhaltigkeit und der Schutz der Meere für ihn relevant sind – ganz unmittelbar und ohne sich nur auf Behauptungen zu stützen oder sogar den berühmten erhobenen Zeigefinger zu strapazieren. Diese Geschichte kann als gutes Beispiel für das Prinzip „Show, don´t tell“ gelesen werden.